Schiltern/Wien/Brüssel (OTS) - 31. Mai 2023 Heute verschickt ARCHE NOAH einen offenen Brief von 38 Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft und Saatgut aus 20 Ländern an die EU-Kommission. Das Thema: die Reform des EU-Saatgutrechts, also jener Vorschriften für die Erzeugung und das Inverkehrbringen von Pflanzenvermehrungsmaterial in der Europäischen Union. „Die bevorstehende Reform wird die Spielregeln für den Saatgutmarkt sowie für den Erhalt und die Entwicklung der Kulturpflanzenvielfalt für Jahrzehnte festlegen
“, sagt Magdalena Prieler, Saatgutpolitik-Referentin für ARCHE NOAH in Brüssel. „Saatgut ist die Grundlage unserer Ernährung. Das Saatgut, das der Landwirtschaft zur Verfügung steht, bestimmt, wie unsere Felder bewirtschaftet werden und welche Lebensmittel wir essen.
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Der offene Brief richtet sich an den Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans, die für Saatgutrecht zuständige Kommissarin Stella Kyriakides, Agrar-Kommissar Janusz Wojciechowski, Umwelt-Kommissar Virginijus Sinkevičius sowie an die für internationale Partnerschaften zuständige Kommissarin Jutta Urpilainen. Die EU-Kommission plant, den Vorschlag für ein neues Saatgutrecht am 5. Juli zu präsentieren, gemeinsam mit einem Vorschlag zur Regulierung der Neuen Gentechnik (beispielsweise CRISPR/Cas). Die EU-Kommission hat also nur noch fünf Wochen, um die letzten Knackpunkte der Reform zu klären. „Die den Saatgutmarkt dominierende Agrochemie-Industrie ist mit den veralteten, restriktiven Vorschriften im Großen und Ganzen zufrieden, weil diese die Konkurrenz sowie bäuerliche Saatgutsysteme verdrängen – mit vernichtenden Folgen für die Kulturpflanzenvielfalt sowie für die Widerstandskraft unserer Landwirtschaft“, erläutert Magdalena Prieler von ARCHE NOAH. „Ein Saatgutrecht, das uns bei den immensen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts unterstützt, schaut deutlich anders aus.
Die unterzeichnenden Organisationen fordern Rahmenbedingungen, die den Erhalt der noch bestehenden Kulturpflanzen-Vielfalt ermöglichen und das völkerrechtlich verankerte Recht, das eigene Saatgut aufzubewahren, zu verwenden, auszutauschen und zu verkaufen, umsetzen. Die wichtige „in situ“-Erhaltung – das Erhalten einer Sorten auf dem Feld oder im Hausgarten, die dank des regelmäßigen Anbaus die Anpassung der Sorten an veränderte Klimabedingungen ermöglicht – wird fast ausschließlich von Bäuer:innen und Gärtner:innen geleistet. Diese Arbeit wird jedoch derzeit durch restriktive Vorschriften erschwert und in bestimmten Fällen in die Illegalität abgedrängt. In manchen EU-Ländern ist sogar der einfache Tausch von Saatgut zwischen Bäuer:innen untersagt.
Die 38 Organisationen fordern, dass die Prüfungen vor der Zulassung neuer Industrie-Sorten künftig unter biologischen oder zumindest unter Low-Input-Bedingungen stattfinden, um die Züchtung von Sorten, die ohne Chemie-Einsatz wachsen können, zu fördern. Der Marktzugang für „Vielfaltssorten“, die vom Industrie-Standard abweichen, soll vereinfacht werden. Für Bäuer:innen und Gärtner:innen braucht es auch endlich Transparenz bei der Herkunft des Saatguts und möglichen geistigen Eigentumsrechten. „Wir erwarten von der EU-Kommission einen modernen, zukunftsgerichteten Gesetzesvorschlag für ein Saatgutrecht, dass Vielfaltsverlust und Klimakrise ernstnimmt
“, so Magdalena Prieler von ARCHE NOAH.